Wie kein anderer Wirtschaftszweig steht das Handwerk für Nachhaltigkeit. Der Betrieb Heideglas Uelzen engagiert sich seit Jahren für einen verantwortungsvollen Umgang mit Klima, Umwelt und Ressourcen. Dass der Nachhaltigkeitsbegriff nicht nur ökologische und umweltzentrierte Aspekte umfasst, hat auch Friseurmeisterin Claudia Schmidt erkannt und in ihrem Salon in Uelzen weitreichende Umstellungen vorgenommen.Zukunft im Check
Die meisten Betriebsinhaber sind gut durch das Krisenjahr 2020 gekommen – aus eigener Kraft, mit Hilfe innovativer Ideen oder staatlicher Soforthilfen. Dabei waren es in vielen Betrieben die zuvor geschaffenen Werte, die für die eigene Zukunftsfähigkeit gesorgt haben. "Uns nachhaltig aufzustellen mit einem betrieblichen Gesundheitsmanagement, Angeboten für Aus- und Weiterbildung, einen ökologischen Fußabdruck zu verbessern sowie umwelt- und ressourcenschonend zu arbeiten, bewahrt uns vor unkontrollierbaren Problemen", erklärt Tanja Neumann, Glasermeisterin und Betriebsleiterin bei Heideglas Uelzen.
Sie hält es auch während der Corona-Pandemie für wichtig, an nachhaltigen Werten festzuhalten. Geschäftsführer Thorsten Neumann und seine Frau Tanja engagieren sich seit mehreren Jahren für Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen. Mit Hilfe einer Bestandsaufnahme hat die Geschäftsleitung erst einmal den Status quo hinterfragt, um sich dann Ziele zu stecken. Dabei ist laut Tanja Neumann der Begriff Nachhaltigkeit individuell interpretierbar: "Für mich versteckte sich immer nur ein ökologischer Gedanke dahinter." Erst als sich im eigenen Betrieb das Thema Nachhaltigkeit etabliert habe, sei das Spektrum gewachsen. "Die soziale Komponente, das regionale Engagement, die Verantwortung, aber auch die Vernetzung sind neben Mülltrennung und Recycling alles Aspekte, die ich nicht ernsthaft berücksichtigt hatte", erklärt die 50-Jährige.
Habe sich aber erst einmal eine Grundsensibilität in den Köpfen der Mitarbeitenden entwickelt, sei der nachhaltige Gedanke im Betrieb wertvoll und wichtig. Tanja Neumann betont: "Mit Hilfe von Weiterbildungen, Förderungen und kommunikativem Austausch übernimmt jedes Teammitglied Verantwortung und kann mitarbeiten, wenn es einer Lösung bedarf." Es sei nicht nur der bereitgestellte Obstkorb, der Wertschätzung suggerieren soll. "Bei uns wird jeder der sieben Mitarbeitenden gehört, wir sind flexibel und lösungsorientiert", sagt die Betriebsleiterin, die sich auch über ihr eigenes Unternehmen hinaus für Nachhaltigkeit einsetzt. Mit den UnternehmerFrauen im Handwerk möchte sie als frauenpolitische Interessenvertretung für unternehmerisch aktive Frauen im Handwerk nachhaltig einstehen. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist Glasermeisterin Tanja Neumann außerdem gemeinsam mit neun weiteren Handwerkern aus dem Baugewerbe in Afrika aktiv, um den Aufbau von Betriebs- und Lernpartnerschaften voranzutreiben. Für sie liege die Kunst darin, sich bei ihren Vorhaben nicht zu verzetteln, sondern erreichbare Ziele zu stecken. Für das eigene Nachhaltigkeitskonzept wurde Heideglas Uelzen von der Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit als erstes Unternehmen gekennzeichnet.
Nachhaltigkeit nicht vom Gewerk abhängig
Als erste Friseurin in Niedersachsen hat auch Claudia Schmidt mit ihrem Betrieb LifeStyle aus Uelzen diese Auszeichnung erhalten. "Es liegt allein in unserer Hand, in welchem Zustand wir unsere Welt in die Hände unserer Kinder geben werden", begründet Claudia Schmidt die Entscheidung, ihren Betrieb nachhaltig und klimaneutral aufzustellen. Dabei habe sie als Konsequenz aus den Überlegungen zum Thema die Arbeitsabläufe im Betrieb angepasst: "Wir machen nun bei jedem Kunden eine Kopfhautanalyse mit Tablet und Mikroskopkamera. So können wir ihm zeigen, was wir auf seiner Kopfhaut sehen, und dann die Haarbehandlung darauf abstimmen. Das schafft ein ganz neues Verständnis", erklärt die Meisterin.
Außerdem werden das Komplettblondieren und auch einige andere umwelt- oder gesundheitsbelastende Dienstleistungen inzwischen abgelehnt. "Wir wollen die Haare und Kopfhaut unserer Kunden gesund erhalten und schön machen", betont sie. Darüber hinaus werde nur noch fair gehandelter Kaffee an die Kunden ausgeschenkt und mit Lieferanten zusammengearbeitet, die bereits Vereinbarungen für faire Arbeits- und Produktionsbedingungen vorweisen können. "Wir haben einen Stromanbieter, der uns grünen Strom liefert. Außerdem haben wir eine Solaranlage, die unser Wasser im Sommer heizt. Für den Winter haben wir einen wassergeführten Pelletofen neu angeschafft", zählt Claudia Schmidt auf. Die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden sei ihr ebenso wichtig wie eine faire Bezahlung. Geachtet werde auch auf die Work-Life-Balance: "Wir haben Kernarbeitszeiten, aber keine festen Öffnungszeiten. Dadurch gibt es kaum Leerlauf. Termine vereinbaren wir persönlich oder telefonisch." Ins Boot geholt habe Claudia Schmidt von Anfang an alle Mitarbeitenden, um sich gemeinsam durch Potenziale und Defizite im Betrieb zu arbeiten. "Der Start mit dem neuen Konzept war sehr erfolgreich und wir haben sehr gutes Feedback bekommen", berichtet die Friseurmeisterin. Die offizielle Kennzeichnung des Betriebs durch die Allianz für Nachhaltigkeit erfolgte im Anschluss an den Zukunfts-Check der Kammer.
Zukunfts-Check - Der Betrieb öffnet sich fürs Hinterfragen
"Handwerksbetriebe sind oft bereits sehr gut aufgestellt in Sachen Nachhaltigkeit", sagt Colette Bomnüter, Beauftragte für Innovation und Technologie im Handwerk (BIT) bei der Handwerkskammer. Sie unterstützt Betriebsinhabende im Kammerbezirk mit dem von ihr entwickelten Zukunfts-Check Nachhaltigkeit. "Allerdings sollte viel mehr über das eigene Engagement geredet werden – sowohl intern als auch extern", betont sie. Die Kommunikation sei ein großes Thema, wenn es um Nachhaltigkeit ginge: Oft ist Mitarbeitenden, Kunden oder Kooperationspartnern gar nicht bekannt, wie vielfältig der Betrieb in Sachen Nachhaltigkeit aktiv ist", erklärt Colette Bomnüter. Hier bestehe in vielen Fällen Handlungsbedarf.
"Gleichzeitig bietet ein offener und wertschätzender Austausch viel Potenzial, um gemeinsam neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen", erklärt die Expertin. Die Notfallplanung in einem Betrieb und auch der Umgang mit Erfahrungswissen seien ebenfalls wichtige Punkte, um sich nachhaltig aufzustellen, die aber häufig vernachlässigt werden. "Mit der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie kann es gelingen, die Zukunftsfähigkeit des eigenen Betriebs deutlich zu verbessern", sagt Colette Bomnüter.
Der Zukunfts-Check ist ein kostenloses Beratungsangebot der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade, mit dem Unternehmen umfassend bei der Entwicklung ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten unterstützt werden.
Ziel ist es, durch die identifizierten Potenziale und Defizite neue Prioritäten zu setzen und die richtigen Weichen im Betrieb zu stellen, unabhängig davon, wo der Betrieb gerade steht.
Während des Zukunfts-Checks wird in der individuellen Beratung
- geklärt, wie das Unternehmen aktuell in Bezug auf Nachhaltigkeit aufgestellt ist
- untersucht, wie die betrieblichen Aktivitäten kommuniziert werden
- festgestellt, in welchen Bereichen Anknüpfungspunkte und Handlungsfelder bestehen
- ein konkreter Maßnahmenplan mit Handlungsmöglichkeiten für Ihr Unternehmen entwickelt.
Ihr Betrieb soll nachhaltiger werden?
3 Fragen an Colette Bomnüter
Welchen Betrieben würden Sie zum Zukunfts- Check raten?
Grundsätzlich allen Betrieben, die sich zukunftsfähig aufstellen wollen, unabhängig von ihrer Branche, Größe oder wo sie in Bezug auf Nachhaltigkeit stehen. Der Zukunfts-Check bietet einen ganzheitlichen Blick auf das Unternehmen, beleuchtet vorhandene Schwächen und Potenziale im
ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich und hilft, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen.
Was erwartet den Betrieb konkret?
Zuerst einmal Arbeit, die sich aber wirklich lohnt. Ziel ist es, eine individuelle Strategie für das Unternehmen zu entwickeln. Dafür wird zuerst geklärt, wo der Betrieb steht, welche Aktivitäten es bereits gibt und wo Handlungsbedarf besteht. Der zweite Schritt ist, die strategischen Ziele des Unternehmens zu klären, also wo sich der Betrieb morgen oder übermorgen sieht. Im dritten Schritt wird dann ein individueller Plan mit konkreten Maßnahmen und Handlungsansätzen entwickelt, um diese Ziele zu erreichen und die eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten weiterzuentwickeln.
Was bringt die Kennzeichnung der Allianz für Nachhaltigkeit?
Mit der Kennzeichnung wird das Engagement für mehr Nachhaltigkeit nach außen konkret sichtbar gemacht. Das wird von Kunden, Geschäftspartnern und in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen. Außerdem präsentiert die Nachhaltigkeitsallianz alle gekennzeichneten Unternehmen als "Gute Beispiele" im Internet, so dass der Betrieb mit seinem Engagement auch überregional wahrgenommen wird und neue Kontakte knüpfen kann.
Nachhaltigkeit in Niedersachsen
Niedersächsisches Grundsatzpapier "Handwerk und Nachhaltigkeit"
Die norddeutschen Handwerkskammern zeigen mit einem gemeinsamen Grundlagenpapier die Erfolge und Perspektiven eines nachhaltigen Wirtschaftens im Handwerk auf.
Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit
Die Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit ist eine Kooperation zwischen Landesregierung, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Kammern. Ihr Hauptziel ist die Förderung der nachhaltigen Entwicklung in Unternehmen und damit die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Niedersachsen. Mit praktischen Angeboten möchte die Allianz Unternehmen in Niedersachsen für die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung gewinnen.