Tipps und Anregungen für ein familienfreundliches ArbeitsumfeldVereinbarkeit von Familie und Beruf

Wenn es darum geht, berufliche und familiäre Belange zu vereinbaren, unterstützen wir, die Koordinierungsstelle zur Frauenförderung der Handwerkskammer, Sie und Ihre Mitarbeitenden. Wir begleiten Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Elternzeit und unterstützen sie beim beruflichen Wiedereinstieg. Mit speziell für diese Zielgruppe konzipierten Seminaren und Veranstaltungen bleibt Fachwissen erhalten und der Anschluss im Arbeitsprozess gestaltet sich leichter.

Koordinierungsstelle zur Frauenförderung

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"Häufig leben kleine und mittlere Familienbetriebe die Vereinbarkeit von Familie und Arbeitswelt selbst vor, ohne das besonders herauszustellen"

Viele Betriebe setzen bereits individuelle Arbeitsmodelle um. Wir begleiten Sie bei der Entwicklung kreativer Lösungen. Christina Völkers, Leiterin der Koordinierungsstelle zur Frauenförderung, erklärt im Interview, wie Arbeitgeber*innen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in ihrem Betrieb umsetzen können.

Frau Völkers, wie können Unternehmen den eigenen Mitarbeitenden entgegenkommen, wenn es um die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht?

Da gibt es viele Möglichkeiten, vor allem im Bereich der Arbeitszeitgestaltung. So könnten zum Beispiel im Privatkundenkontakt Termine individuell und auch außerhalb der regulären Arbeitszeit vereinbart werden. Familiäre Verpflichtungen lassen sich dann besser im Terminplan unterbringen. Dasselbe gilt für flexiblere Arbeitszeiten. Auch der Arbeitsbeginn kann so gelegt werden, dass er mit den Öffnungszeiten von Schule und Kita vereinbar ist. Einige Betriebe richten für Notfälle eine betriebliche Kinderbetreuung ein. Gerade jetzt in Zeiten der Pandemie ist das für viele Mütter und Väter hilfreich.

Gibt es dafür auch gelungene Beispiele in Handwerksbetrieben?

Es gibt viele sehr gute Beispiele im Handwerk. Häufig leben kleine und mittlere Familienbetriebe die Vereinbarkeit von Familie und Arbeitswelt selbst vor, ohne das besonders herauszustellen. Handwerksbetriebe haben außerdem den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer geringeren Betriebsgröße oft individueller auf die einzelnen Bedürfnisse ihrer Beschäftigten eingehen können, als das in großen Konzernen möglich wäre. Dazu zählt zum Beispiel auch das Job-Sharing-Modell, das Schornsteinfegermeister Timo Gerke praktiziert – vorbildlich und nachahmenswert. 

Christina Völkers, Abteilungsleiterin Koordinierungsstelle zur Frauenförderung
Handwerkskammer
Christina Völkers, Leiterin der Koordinierungsstelle zur Frauenförderung

Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird meist nur auf Frauen und Kinder bezogen. Stimmt das so noch?

Das macht sicherlich immer noch den Hauptanteil aus. Aber hier setzt langsam ein Wandel ein. Es gibt zunehmend auch Väter, die gerne mehr Zeit für die Familie hätten und Elternzeit nehmen wollen. Das heißt ja nicht, dass sie dann komplett zu Hause bleiben. Sie können trotzdem nebenher weiterarbeiten, nur eben weniger, aber immerhin noch bis zu 30 Stunden. Außerdem kommt es immer öfter vor, dass nicht Kinder betreut werden müssen, sondern pflegebedürftige Angehörige. Das wird zunehmend in vielen Familien ein Problem, wenn Vater oder Mutter plötzlich nicht mehr alleine zurechtkommen. Auch das gehört zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. 

Und was hat Unternehmen davon, wenn es familienfreundliche Arbeitsbedingungen im Betrieb einführt?

Von einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie profitieren nicht nur die Arbeitnehmenden. Der Betrieb profitiert ebenfalls, auch betriebswirtschaftlich. So können zum Beispiel die Kosten, die durch die Überbrückung von Elternzeit oder die Wiedereingliederung nach der Elternzeit entstehen würden, durch familienfreundliche Maßnahmen vermieden oder zumindest reduziert werden. Außerdem steigt mit familienfreundlicheren Arbeitsbedingungen die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und damit auch die Mitarbeiterbindung. Das wiederum verringert Personalfluktuation und Fehlzeiten. Und nicht zuletzt wirkt sich ein solches Arbeitsumfeld positiv auf das Image des Betriebs und den guten Ruf als Arbeitgeber aus.



Tipps für die Praxis

Arbeitsbeginn und -ende können unter Berücksichtigung von Kindergartenöffnungs- und Schulzeiten flexibel gestaltet werden.
Die Arbeitszeit kann je nach familiärer Situation reduziert und an die individuellen Gegebenheiten angepasst werden.
Bei der betrieblichen Urlaubsplanung werden die Schulferien bzw. die Urlaubszeiten des*der Partner*in berücksichtigt.
Arbeiten im Homeoffice bietet die Möglichkeit, zeitunabhängig von zu Hause aus zu arbeiten.
Für persönliche Termine (z. B. Arztbesuche) können sich Mitarbeitende nach Rücksprache während der Arbeitszeit freistellen lassen.
Im Notfall können Kinder mit in den Betrieb gebracht werden. Hierzu wird bei Bedarf eine Kinderspielecke eingerichtet.
Über ein „Schwarzes Brett“ wird der Informationsfluss unter den Beschäftigten gefördert. Darüber bietet sich z. B. die Gelegenheit, eine Tagesmutter zu finden oder Fahrgemeinschaften zu Kindergarten oder Schule zu bilden.
Es finden gemeinsame Aktionen mit den Mitarbeitenden sowie deren Familienangehörigen statt.
 


Zertifikat für die Familienfreundlichkeit

Mit dem FaMi-Siegel zeigen Sie, dass Sie ein familienfreundliches Unternehmen sind

Unternehmen, die ein familienfreundliches Arbeitsumfeld schaffen, punkten bei Fachkräften als Arbeitgeber*in. Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnt sich Familienfreundlichkeit, wenn dadurch Kosten vermieden werden, die sonst durch die Überbrückung von Elternzeitphasen oder die Wiedereingliederung nach der Elternzeit entstehen. 

Familienfreundliche Maßnahmen haben positive Folgen:

  • Beschäftigte kehren frühzeitig aus der Elternzeit zurück
  • Die Beschäftigen werden stärker an den Betrieb gebunden
  • Die Kosten der Personalsuche bleiben gering
  • Die Produktivität des Betriebs steigt
  • Die Attraktivität als ArbeitgeberÜin nimmt zu
  • Das Ansehen des Unternehmens in der Region steigt 

Die Bewerbung ermöglicht Ihnen eine strukturierte Betrachtung Ihrer betrieblichen Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie, Pflege und Privatleben. Sie bietet Anhaltspunkte zur Weiterentwicklung familien- und lebensphasen-orientierter Personalpolitik. Als "ausgezeichnet familienfreundlicher Betrieb" dürfen Unternehmen drei Jahre lang kostenlos mit dem Siegel werben. Auch auf der Internetseite des Projekts wird das Unternehmen als gutes Beispiel vorgestellt.

Das FaMi-Siegel ist eine Gemeinschaftsinitiative von Arbeitgeberverband Lüneburg Nordostniedersachsen e.V., DGB - Region Nordostniedersachsen, Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH, Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg, Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade, Leuphana Universität Lüneburg, Stadt und Landkreis Lüneburg, Überbetrieblicher Verbund Frau & Wirtschaft e.V..

Gute Beispiele

Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Die Schornsteinfegerinnen Melanie Mehrkens und Sonja Möller teilen einen Arbeitsplatz.
Schmitz / Handwerkskammer

Geteilter Arbeitsplatz

Schornsteinfegermeister Timo Gerke aus Hollern-Twielenfleth setzt auf Job-Sharing. Bei ihm teilen sich zwei Mitarbeiterinnen einen Arbeitsplatz.

Geteilter Arbeitsplatz

Auf Kinder eingestellt: Siegfried Tippel hat in seinem Möbelhaus extra eine Spielecke eingerichtet für Kinder seiner Mitarbeiter
Bartel / Handwerkskammer

Kinder dürfen mitgebracht werden

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist bei der Möbel-Reck GmbH selbstverständlich. Der Betrieb aus Bad Bevensen wurde dafür mit dem FaMi-Siegel ausgezeichnet.

Kinder dürfen mitgebracht werden

Die Heideglas Uelzen ist mit dem FaMi-Siegel ausgezeichnet worden. Christina Völkers (rechts) hat das FaMi-Siegel überreicht.
Friedrichs / Handwerkskammer

Familie und Arbeit ganz unkompliziert

Heideglas Uelzen setzt auf ein offenes Arbeitsklima, hohe Selbstverantwortung und flexible Absprachen - dafür wurde der Betrieb mit dem FaMi-Siegel ausgezeichnet.

Familie und Arbeit ganz unkompliziert

Bei der Elektro-Rosin GmbH aus Uelzen wird Familienfreundlichkeit gelebt. Hierfür bekam der Betrieb 2015 den FaMi-Award.
Hans Jürgen Wege

Flexible Arbeitszeitmodelle sind Trumpf

Bei der Elektro-Rosin GmbH aus Uelzen wird Familienfreundlichkeit gelebt. Für sein Engagement ist der Betrieb mit dem FaMi-Award ausgezeichnet worden.

Flexible Arbeitszeitmodelle sind Trumpf


Röhrs Industrieanlagen GmbH

Bei dem Montageunternehmen Röhrs Industrieanlagen GmbH in Soltau hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen sehr hohen Stellenwert: Kaufmännischer Geschäftsführer und Montageleiter Tim Nijs wird in ein paar Wochen selbst zum dritten Mal Vater und weiß genau, welche Hürden Eltern im Berufsleben zu bewältigen haben. Flexible Arbeitszeitmodelle stehen bei ihm dabei im Mittelpunkt: „Die Arbeitszeiten gestalten wir schon immer sehr flexibel. Alle Teilzeitkräfte haben ihre Arbeitszeit komplett an das Thema Familie angepasst“, berichtet Nijs. Darüber hinaus versucht das Unternehmen mit Aktionstagen die Familie und den Beruf zu verbinden und dadurch auch ein ganz anderes Problem zu lösen: „Wir sind ein Montageunternehmen und viele unserer Mitarbeiter arbeiten dezentral. Da es heute aber nicht nur wichtig ist, Facharbeiter zu bekommen, sondern sie auch zu halten, haben wir uns des Themas verstärkt angenommen“, erzählt der Montageleiter. Außerdem sei das Unternehmen in den Überbetrieblichen Verbund Familie und Beruf e.V. eingetreten, welcher sich um die Kinderbetreuung und Freizeitaktivitäten während der Ferienzeiten kümmert.

Wie der Geschäftsführer berichtet, seien durch diese Maßnahmen durchaus positive Effekte im Betriebsklima zu sehen. „Wir haben eine extrem geringe Fluktuation bei den Mitarbeitern.“ Auch während der Corona-Krise sei der Zusammenhalt und die Zufriedenheit in der Belegschaft zum Tragen gekommen. Für die Kinderbetreuung habe man einen eigenen Kindergarten im Unternehmen einberufen: „Wir haben ein eigenes Spielzimmer im großen Besprechungsraum eingerichtet. Die Mitarbeitenden haben ihr privates Spielzeug der eigenen Kinder zusammengesammelt und in dem Spielzimmer platziert“, sagt der Geschäftsführer. „Als alles ein bisschen schwieriger wurde, musste ich als Geschäftsführer nicht diktieren, wie wir damit umzugehen haben, sondern die Mitarbeiter kamen auf mich zu und haben mir gesagt, wie sie sich untereinander organisieren werden“, erinnert er sich. In dieser Zeit sei es schon mal vorgekommen, dass Mitarbeitende ihre Arbeitszeiten bis spät abends ausgeweitet haben, damit der Partner seiner Arbeit tagsüber nachkommen konnte. „Es war großartig, dass sich die Mitarbeiter komplett selbstständig organisiert haben“, sagt Nijs.



Christina Völkers, Abteilungsleiterin Koordinierungsstelle zur Frauenförderung Handwerkskammer

Christina Völkers

Projektleiterin Koordinierungsstelle zur Frauenförderung

Rudolf-Diesel-Straße 9

21684 Stade

Tel. 04141 6062-28

voelkers--at--hwk-bls.de