Dr. Bierich informiertDer krankheitsanfällige Arbeitnehmer – Kündigung zulässig?
Kündigungen wegen häufiger Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers spielen in der arbeitsrechtlichen Praxis eine große Rolle. Und findet das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, bewegt sich der Arbeitgeber bei der Beurteilung des kündigungsrelevanten Sachverhalts auf einem sehr unsicheren Gelände. Denn häufig kann er bereits nicht zuverlässig ermitteln, an welchen Krankheiten sein Mitarbeiter in der Vergangenheit gelitten hat. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) hat in einer aktuellen Entscheidung klare Leitlinien gesetzt, unter welchen Umständen eine personenbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen gerechtfertigt ist (Urteil vom 07.05.2024, Az. : 5 Sa 56/23).
Der Fall: Ein Maschinenbediener in der Fleischindustrie war in den Jahren 2018 bis 2022 stets zwischen 40 und 44 Arbeitstage erkrankt, im Jahr 2020 lediglich 33 Arbeitstage. Für sämtliche Ausfallzeiten leistete der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung. Nach zwei durchgeführten Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) in den Jahren 2020 und 2021 lehnte der Arbeitnehmer ein weiteres Verfahren ab. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgerecht zum 30.06.2023. Die Kündigung begründete er mit einer negativen Gesundheitsprognose; es sei mit weiteren, häufigen Kurzerkrankungen zu rechnen. Der Betrieb werde zudem durch die Lohnfortzahlungskosten und Aufwendungen für Leiharbeitnehmer erheblich finanziell belastet. Der Arbeitnehmer hielt die Kündigung für sozialwidrig und erhob Kündigungsschutzklage.
Das LAG wies die Klage ab und bejahte zunächst eine negative Gesundheitsprognose aufgrund der Krankengeschichte des Arbeitnehmers. Auch unterschiedliche Krankheiten könnten, so das Gericht, auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hinweisen, die auch in Zukunft bestehen bliebe. Selbst wenn einzelne Krankheiten ausgeheilt sind, könnten diese erneut ausbrechen wie beispielsweise eine Atemwegserkrankung. Wegen der hohen zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten im Krankheitsfall und der Notwendigkeit, wie zuvor kostenintensiv Leiharbeitnehmer zu organisieren, sei der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nicht mehr hinnehmbar. Die Kündigung sei daher sozial gerechtfertigt und wirksam.
Fazit: Bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ist stets eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls erforderlich. Der Arbeitgeber muss zunächst die erheblichen Fehlzeiten im Detail unter Beweis stellen und vortragen, dass auch künftig mit erheblichen Fehlzeiten des Arbeitnehmers zu rechnen ist, die die betrieblichen Interessen erheblich beeinträchtigen. Es liegt dann beim Arbeitnehmer, seine positive Prognose zur Krankheitsentwicklung darzulegen und zu beweisen, gegebenenfalls durch Entbindung seiner Ärzte von ihrer Schweigepflicht.
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