TitelthemaIn Nische zum Marktführer
Die Hatecke GmbH in Drochtersen wächst in Rekordzeit: Wie ein mittelständischer Handwerksbetrieb mit richtigem Gespür des Inhabers, Ideen für eine Spezialisierung, großem Netzwerk, guter Personalentwicklung und ein bisschen Glück zu einem weltweit exportierenden Unternehmen wird.
Seit dem Untergang der Titanic gibt es glücklicherweise strenge Vorschriften für die Sicherheit aller Passagiere und Crewmitglieder auf hoher See. Im Ernstfall soll niemand ertrinken, erfrieren, abstürzen oder im Atlantik treiben. Die Rettungsboote fürs Überleben baut die Hatecke GmbH in Drochtersen. Die Vorstellung in ein Rettungsboot steigen zu müssen, um dem Notfall auf dem Kreuzfahrtschiff zu entkommen, ist dennoch beängstigend. Aber genau dieser Gedanke treibt die Beschäftigten des Bootsbaubetriebs jeden Tag an: „Wir retten Leben“, sagt Geschäftsführer Mandus Witt. Die Boote werden stets weiterentwickelt, Technik und Sicherheit seien auf dem neuesten Stand. „Wir sind mittlerweile Marktführer im Kreuzfahrtsegment“, erklärt Witt. Am Betriebsstandort im Norden Deutschlands stehen die riesigen Tender- und Freifallrettungsboote auf ihrem Parkplatz, auf weltweite Auslieferung wartend. 500 Boote verlassen jährlich das Gelände an der Elbe. In großen Hallen werden sie vor Ort individuell gefertigt von Bootsbauern, Tischlern, Elektrikern, Schlossern und Metallbauern. „In mehreren Gewerken beschäftigen wir zurzeit 14 Auszubildende“, sagt Witt.
Mehr als 300 Beschäftigte zähle die Hatecke GmbH inzwischen. Dabei sei die Werft lange Zeit ein eher kleines familienbetriebenes Bootsbauunternehmen gewesen: „Den Holzbooten, Reparaturarbeiten, irgendwann auch den Segelyachten und kleineren Rettungsbooten gehörte lange Zeit unser Hauptaugenmerk“, erinnert sich Inhaber Peter Hatecke. Erst als er 2005 Alleineigentümer wurde und weitreichende strategische Entscheidungen im Unternehmen traf, stellte er die Weichen für die Zukunft: Der Betrieb steigt in den Kreuzfahrtmarkt ein, die Hatecke Service GmbH wird für alle After-Sales-Aktivitäten gegründet. „Das enorme Wachstum war nie ein gestecktes Ziel, ich hatte gute Kontakte, die richtige Intuition für die Nische, den Bedarf auf dem Markt erkannt und ein bisschen Glück“, fasst der 65-Jährige den jüngsten Unternehmenserfolg zusammen. Inzwischen sei der Übergang der Unternehmensgruppe in die fünfte Generation der Familie eingeleitet worden. Mit dem Leitbild “HATECKE nextGeneration” gäbe es eine Transformation und Verteilung von Verantwortung für eine stabile Zukunftsfähigkeit. „Das bedeutet für uns einen Kultur- und Wertewandel hin zu mehr Eigenverantwortung und Mitgestaltung durch jeden Mitarbeitenden“, erklärt Mandus Witt. Konkret gibt es laut Witt ein mehrjähriges Maßnahmenprogramm, dass sowohl die Digitalisierung, die Steuerung von Risiken und die Optimierung von Prozessen als auch die Attraktivität als Arbeitgeber sicherstellt: „Personalentwicklung, Ausbildung, Motivation und Fachkräftesicherung sind neben Dekarbonisierung und Cybersecurity aktuell in unserem Fokus.“ Die Unternehmensgröße habe sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre verdreifacht. „Bei einem so enormen Wachstum in kürzester Zeit, muss jetzt vieles nachgeholt und angepasst werden“, erklärt er. Denn auch die Hatecke GmbH spüre den Fachkräftemangel, digitalen Fortschritt und Klimaentwicklungen.
Wachse ein familiengeführter Handwerksbetrieb zum internationalen Marktführer heran, sei die größte Herausforderung, Geschäftspartner und Mitarbeitende nicht zu überfordern, weiß der 37-Jährige. Mit dem Außenwirtschaftspreis des Landes Niedersachsen in der Kategorie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) überzeugte die Hatecke GmbH nun mit ihrem Exportanteil von über 80 Prozent und einer herausragenden Strategie. Investiert wird laut Witt in mehrere Vertriebsniederlassungen im Ausland, vor allem aber in den Hauptstandort Drochtersen selbst: „Wir werden zum autarken Stromproduzenten mit einer eigenen Windkraftanlage.“ Das Motto „Stillstand ist Rückstand“ habe den Betrieb stets vorangebracht: „Mit Mut und dem richtigen Personal ist alles möglich“, betont Mandus Witt.