Dr. Bierich informiertPapier ist geduldig – Neues zur digitalen Entgeltabrechnung
Jeder Arbeitgeber hat, wie sich aus § 108 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) ergibt, die arbeitsrechtliche Verpflichtung, seinen Arbeitnehmern eine Entgeltabrechnung in Textform zu erteilen, die mindestens Angaben über den Abrechnungszeitraum und die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthält. In der betrieblichen Praxis geht dem Arbeitnehmer die Abrechnung überwiegend in Papierform zu, obwohl auch eine digitale Form grundsätzlich zulässig ist. Doch in der immer digitaler werdenden Welt werden Dokumente wie Kontoauszüge, Bahntickets und Mobilfunkabrechnungen in der Regel digital statt postalisch zugestellt. Die Frage, ob allerdings auch Entgeltabrechnungen ohne die Zustimmung des einzelnen Arbeitnehmers digital in einem Mitarbeiterportal zur Verfügung gestellt werden dürfen und dem Arbeitnehmer damit gemäß § 130 BGB zugehen, hat aktuell das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen beschäftigt (Urteil vom 16.01.2024, Az. : 9 Sa 575/23; nicht rechtskräftig).
Der Fall: Ein Arbeitgeber hatte mit seinem Betriebsrat am 07.04.2021 eine Betriebsvereinbarung über die Einführung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs geschlossen. Unter anderem sollten hierüber zukünftig allen Arbeitnehmern sämtliche Personaldokumente bereitgestellt werden, somit auch die monatlichen Entgeltabrechnungen. Eine Arbeitnehmerin, die ihre letzte Entgeltabrechnung in Papierform im Monat Februar 2022 postalisch erhalten hatte, widersprach der Erteilung der Abrechnung über das digitale Mitarbeiterpostfach und erhob letztlich Klage. Das LAG Niedersachsen gab der Klägerin Recht und urteilte, das der Anspruch auf eine Entgeltabrechnung gegenüber den Arbeitnehmern nicht erfüllt wird, wenn der Arbeitgeber Abrechnungen in einem Onlineportal zum Download ohne individuelle Zustimmung der jeweiligen Arbeitnehmer zu dieser Übermittlungsart bereitgestellt hat.
Zwar komme grundsätzlich der Zugang auf elektronischem Weg in Betracht, da damit die Textform gemäß § 126 b BGB gewahrt ist durch Speicherung der Abrechnung auf einem dauerhaften Datenträger. Allerdings handelt es sich bei einem digitalen Mitarbeiterpostfach nur dann um eine geeignete Empfangsvorrichtung, wenn der Empfänger diese auch für den Empfang von Willenserklärung im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt hat. Im zu entscheidenden Fall habe die Klägerin nicht nur ausdrücklich oder konkludent ihr Einverständnis zum Zugang der Entgeltabrechnung im digitalen Mitarbeiterpostfach verweigert, sondern diesem Vorgehen nachweislich widersprochen.
An dieser Rechtslage ändert, so das Gericht, auch die abgeschlossene Betriebsvereinbarung nichts. Denn Betriebsvereinbarungen hätten die Individualrechte der einzelnen Arbeitnehmer zu beachten - und der Erteilung der Entgeltabrechnung kommt ausschließlich individuelle Wirkung zu.
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