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Landesvertretung der Handwerkskammern NiedersachsenInterview mit Dr. Hildegard Sander zur aktuellen Krise

Frau Dr. Sander, Sie vertreten die Interessen des Handwerks auf Landesebene - auch, wenn es um die Energiekrise geht. Was heißt das konkret? Telefonieren Sie mit dem niedersächsischen Wirtschaftsminister und schildern ihm die Probleme des Handwerks?

Dr. Hildegard Sander: Wir stehen im intensiven Austausch mit Wirtschaftsminister Althusmann, Umweltminister Lies und den Fachebenen in den Ministerien. In den regelmäßig tagenden Runden der Staatskanzlei unter Leitung des Ministerpräsidenten Weil machen wir die Herausforderungen für das Handwerk sehr deutlich – auch gemeinsam mit der Verbandsseite. Die Politik weiß genau, wie stark unsere Betriebe belastet sind. Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um auf die explodierenden Energiepreise aufmerksam zu machen. Dabei nutzen wir mit Unterstützung der Handwerkskammern auch direkte Betriebsbefragungen und machen diese öffentlich.

Teilen Sie den Eindruck, dass das Handwerk bei den bisherigen Maßnahmen und Entlastungen nicht genug berücksichtigt wurde?

Dr. Hildegard Sander: Bis vor kurzem - ja. Fakt war: Das einzige Zuschussprogramm, was bislang energieintensive Unternehmen unterstützt, war das bundesweite Energiekostendämpfungsprogramm. Die Rahmenbedingungen dieses Programmes haben das Handwerk bis dato weitestgehend unberücksichtigt gelassen. Dies lag vor allem an den Grundvoraussetzungen einer Förderung: Die Zugehörigkeit zu einer energie- und handelsintensiven Branche gemäß KUEBLL-Anhang (Leitlinien für Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen), der das Handwerk nicht angemessen erfasst. Dafür habe ich kein Verständnis und habe das auch geäußert. Am 28. September wurde nun seitens des Bundes ein wirtschaftlicher „Abwehrschirm“ angekündigt, der auch Handwerksbetriebe entlasten soll. Darin ist u.a. die Einführung einer Strom- und Gaspreisbremse vorgesehen. Zusätzlich sind Härtefallhilfen für betroffene Betriebe geplant. Noch ist aber vieles unklar, sodass wir die Entwicklung im Auge behalten und weiterhin auf die Berücksichtigung besonders belasteter Handwerksbetriebe hinwirken werden.

Welche Ziele stehen für Sie mit Blick auf die Energiekrise bei Ihren Gesprächen mit der Landesregierung im Vordergrund? Wofür treten Sie ein?

Dr. Hildegard Sander: Priorität für uns hat nun die schnelle, direkte und unbürokratische Umsetzung der im Rahmen des Abwehrschirms der Bundesregierung angekündigten Maßnahmen. Das bedeutet, dass vor allem die Energiepreise für die Betriebe wieder auf einem bezahlbaren Level liegen müssen. Energieintensive Betriebe dürfen durch die hohen Energiekosten nicht in eine existenzbedrohende Notlage gebracht werden. Es steht natürlich außer Frage, dass der Verbrauch für Gas sowie für Strom in einer gemeinsamen Anstrengung auch von den Betrieben gesenkt werden muss. Hierzu ist es maßgeblich, dass alle zur Verfügung stehenden Instrumente genutzt und von der Politik unterstützt werden. Dazu zählen zum Beispiel Energieberatungen für die Betriebe seitens der Kammern und Verbände. Das Umweltministerium hat uns gegenüber bereits Interesse an einem Gespräch dazu signalisiert. Trotz der aktuellen Probleme müssen wir aber auch an der weiteren Verbesserung der Rahmenbedingungen für alle Betriebe arbeiten. Wir haben auf Landesebene einiges erreicht, wie etwa die verbesserte ÜLU-Förderung, die Meistergründungs- und Anerkennungsprämie, die Innovationsförderung oder auch die Nachfolgemoderation.

Diese Gespräche laufen ja weitgehend hinter den Kulissen, sodass viele Handwerker gar nicht wissen, dass ihre Interessen sehr wohl vertreten werden. Was passiert sonst noch, was nicht nach außen dringt -gibt es weitere Arbeitskreise oder Initiativen, die sich mit der Energiekrise beschäftigen und an denen Sie für das Handwerk beteiligt sind?

Dr. Hildegard Sander: Seit dem Sommer beteiligen wir uns intensiv an den von der Staatskanzlei eingerichteten Arbeitsgruppen zur Bewältigung der Energiekrise. Dies hat politischen Druck mit Blick auf den angekündigten Abwehrschirm auch für die Bundesebene erzeugt. Zum Beispiel hat das Land Niedersachsen im August eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, in dem ein niedrigschwelliges, branchenoffenes Zuschussprogramm mit einer Förderung von bis zu 500.000 Euro je betroffenem Unternehmen vorgeschlagen wurde. Gleichzeitig hat die niedersächsische Staatskanzlei im Rahmen der Kampagne „Gemeinsam durch die Energiekrise“ auf die Notwendigkeit von regionalen Härtefallfonds hingewiesen. Wir erwarten, dass Bund und Land sich vertrauensbildend zusammenfinden und für die Betriebe schnell handeln.

 

Dr. Hildegard Sander, Hauptgeschäftsführerin der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen (LHN)
Fotografie Lena Schöning