Interview mit Caroline Rigo, ZDH-Referatsleiterin Bereich Arbeitsmarkt- und Tarifpolitik/ Abteilung Soziale SicherungInklusion behinderter Beschäftigter
Was sind die häufigsten Vorurteile gegenüber der Beschäftigung Behinderter? Warum zahlen viele Betriebe lieber die Ausgleichabgabe, als einen Behinderten einzustellen?
Caroline Rigo: Ausgehend davon, dass die weit überwiegende Zahl der Handwerksbetriebe mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von fünf Mitarbeitern nicht beschäftigungspflichtig ist, steht das Handwerk beim Thema Inklusion gut da. 2014 hat der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) die Initiative „Inklusion gelingt!“ ins Leben gerufen, um mehr Betriebe für das Thema Inklusion zu sensibilisieren. Denn oft sind es fehlende Informationen, die Betriebe davon abhalten, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Über die Plattform www.inklusion-gelingt. de können sich Betriebe einen ersten Informationsüberblick verschaffen und Best-Practice-Beispiele aus anderen Betrieben sehen. Ein weiterer Hemmfaktor ist aber auch die Bürokratie bei Beantragung von Förderungen o.ä.. Positive Beispiele ermutigen immer Betriebe dazu und es entsteht zugleich ein neues Verständnis dafür, dass Behinderung nicht automatisch Leistungsminderung bedeutet.
Welche ersten Schritte empfehlen Sie Handwerksbetrieben, die noch keine Erfahrung mit der Einstellung von Menschen mit Behinderung haben, um Unsicherheiten abzubauen und den Einstieg in die Inklusion zu erleichtern?
Caroline Rigo: Wichtig ist es, mögliche Hemmschwellen abzubauen, um Betriebe für das Thema Inklusion aufzuschließen. Dies gelingt zum Beispiel durch eine ganze Reihe von Best-Practice-Beispielen. In vielen Handwerkskammern gibt es zudem seit Jahren sog. Inklusionsberater, die die Betriebe bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung beraten und unterstützen. Die Inklusionsberater wurden im Zuge des BMAS-Projekts „Implementierung von Inklusionskompetenz in den Kammern“ geschaffen, die in vielen Kammern auch nach Auslaufen des Projekts erhalten geblieben sind bzw. die dazu geführt haben, dass das Thema Inklusion in den Kammern verankert wurde. Zudem wird das Thema Inklusion in jüngster Zeit verstärkt unter dem Aspekt der Fachkräftesicherung gesehen. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ist aufgrund der demografischen Entwicklung die Fachkräftesicherung zu einer beschäftigungspolitischen Herausforderung geworden. Das Erwerbspotenzial von Menschen mit Einschränkungen gewinnt daher im Rahmen einer nachhaltigen Personalpolitik an Bedeutung.
Welche Erfordernisse gibt es, um Werkstätten und Arbeitsplätze für Behinderte geeignet zu machen?
Caroline Rigo: Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Jede Behinderung ist anders und jeder Mensch hat andere individuelle Bedürfnisse und/oder Beeinträchtigungen, die zu berücksichtigen sind. Die Erfordernisse sind bei einem Menschen, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, gänzlich andere als bei einer Person mit psychischen Beeinträchtigungen. Wichtig ist es, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie der Arbeitsplatz angepasst werden kann, so dass ein inklusives und gewinnbringendes Miteinander für alle möglich ist. Letztendlich kommt es gerade in kleinen Betrieben darauf an, dass die „Chemie“ stimmt.
Welche gesetzlichen Regelungen und Fördermöglichkeiten, auch finanzieller Art, gibt es derzeit, um Handwerksbetriebe zu unterstützen, die Behinderte, insbesondere auch behinderte Auszubildende einstellen möchten?
Caroline Rigo: Es gibt eine ganze Bandbreite von Fördermöglichkeiten. Die Schwierigkeit für die Betriebe besteht eher darin, hier die für sie passende Förderung zu finden und zu beantragen. Aber genau dabei helfen die oben bereits erwähnten Inklusionsberater der Kammern. Die Inklusionsberater der Kammern helfen bei der teilweise sehr bürokratischen Beantragung von Fördermitteln, die von Lohnkostenzuschüssen bis hin zu Geldern für eine behinderungsgerechte Ausstattung des Arbeits- oder Ausbildungsplatzes reichen. Zudem beraten und begleiten sie die Betriebe bei der Suche nach entsprechenden Bewerbern und stehen auch während der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung den Betrieben weiter zur Seite.