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Dr. Bierich informiert„Hände weg!“ – Kein Pardon für übergriffige Kollegen

„Sexuelle Belästigung“ – bei diesem Stichwort sollten bei jedem Arbeitgeber die „Alarmglocken“ angehen. Denn im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist sexuelle Belästigung eine Benachteiligung, die Sofortmaßnahmen des Arbeitgebers auslöst. Dieser hat gemäß § 12 Abs. 3 AGG gegenüber einem belästigten Arbeitnehmer die im Einzelfall angemessenen und verhältnismäßigen Maßnahmen zu ergreifen. Je nach Umfang und Intensität kann sogar eine außerordentliche, fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Und die Arbeitsgerichte kennen in derlei Fällen kein Pardon, wie zwei aktuelle Entscheidungen zeigen.

Der erste Fall

Ein in einem Unternehmen seit einem Jahr beschäftigter Außendienstmitarbeiter gab bei einer Betriebsfeier einer Kollegin einen Klaps auf den Po. Als diese seine Hand wegstieß, zog er sie an sich und sagte, sie solle das als Kompliment betrachten. Der Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer zuvor bereits wegen unflätigen Verhaltens und Alkoholkonsums abgemahnt hatte, kündigte diesem fristlos gemäß § 626 BGB. Der Arbeitnehmer reichte Kündigungsschutzklage ein und bestritt das ihm vorgeworfene Verhalten. Das Arbeitsgericht Siegburg (Urteil vom 24.07.2024, Az. : 3 Ca 387/24) erklärte die fristlose Kündigung für rechtens und wies die Klage ab – auch wenn sich der Vorfall in lockerer Atmosphäre einer Betriebsfeier ereignet habe. Zur Überzeugung des Gerichts stand nach einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Kollegin fest, dass der Mann sie durch sein Verhalten auf der Betriebsfeier sexuell belästigt hatte. Seine sexuell bestimmte Motivation sei klar zu erkennen durch die Äußerung, sie solle den Klaps auf den Po als Kompliment auffassen.

Und der zweite Fall

Mehrere Auszubildende eines Unternehmens nahmen an einem Seminar im Rahmen eines Bildungsurlaubes teil. Am Ende eines Seminartages besuchten einige Auszubildende gemeinsam ein Schwimmbad auf dem Seminargelände. Ein männlicher Auszubildender legte am späten Abend unerwartet von hinten seinen Arm um eine Kollegin und schlug dabei auf ihre Brust. Diese reagierte sofort, indem sie rief: „Fass mich nicht an“ und weglief. Der Auzubildende rief ihr hinterher: „Stell Dich nicht so an!“ Der Arbeitgeber kündigte das Ausbildungsverhältnis wegen sexueller Belästigung fristlos. Zu Recht, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen und wies die Kündigungsschutzklage des Auszubildenden ab (Urteil vom 28.02.2024, Az. : 2 Sa 375/23). In dessen Verhalten liege eine sexuelle Belästigung und damit ein Verhalten, das einen wichtigen Grund zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellt. Zwar handele es sich um ein außerdienstliches Verhalten des Auszubildenden. Doch auch außerhalb der Arbeitszeit sei der Arbeitnehmer verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Und diese Interessen werden beeinträchtigt, wenn das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis wie im hier zu entscheidenden Fall hat. Einen angemessenen Weg, das Ausbildungsverhältnis fortzusetzen, gebe es, so das LAG, im zu entscheidenden Fall nicht. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung hielt das Gericht im Ergebnis eine vorherige Abmahnung für entbehrlich und bestätigte die fristlose Kündigung.

Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht
Schmitz / Handwerkskammer
Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht



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